Quiet Firing: Wenn du vom Arbeitsplatz vergrault wirst

21 Oct ‘22
5 min
Stress und Angst
Arbeitsleistung
Annemarie Andre
Überprüft von Psycholog*in Judith Klenter
Frau verlässt leise ihren Arbeitsplatz.
Wieder mal eine sinnlose Aufgabe erledigt? Oder ein Projekt eingereicht, das sich bestimmt in Luft auflösen wird? Dann kann es gut sein, dass du gerade „leise gekündigt” wirst. Hinter dem neuesten Trend der Arbeitswelt, der auf Quiet Quitting folgt, stecken zwei alte Bekannte: Mobbing und Isolation. In diesem Artikel erfährst du, wie du Quiet Firing am Arbeitsplatz erkennst und was du bei dieser passiv-aggressiven Mobbing-Strategie laut Psychologin Judith Klenter tun kannst.

 

48 % haben laut einer LinkedIn Umfrage bereits Quiet Firing am Arbeitsplatz miterlebt. 35 % von über 20.000 Befragten geben an, dass sie selbst schon mal von Quiet Firing betroffen waren. Aber was ist das überhaupt?

 

Quiet Firing: Was steckt dahinter?

 

Quiet Firing wurde durch den TikTok Influencer DeAndre Brown bekannt. In seinem Video, das er kurz nach den polarisierenden Diskussionen rund um Quiet Quitting kreierte, spricht er von Mitarbeitenden, die zwar alle Aufgaben erfüllen, aber nie mit einer Gehaltserhöhung oder Beförderung dafür belohnt werden. Manager*innen kündigen ihre Mitarbeitenden dadurch nicht direkt, aber lassen ihnen indirekt keine andere Wahl, außer die Reißleine zu ziehen.

 

Viele HR-Expert*innen meinen jedoch, dass Quiet Firing sogar einen Schritt weitergeht. Laut Forbes wirst du leise gekündigt”, wenn du nur mehr die unattraktivsten Aufgaben bekommst, alles an dir kritisiert wird, dir Informationen bewusst vorenthalten werden und du zu relevanten Meetings nicht eingeladen wirst.

 

Das erspart Manager*innen den unangenehmen und oft komplizierten Prozess, Kündigungen auszusprechen, indem du irgendwann freiwillig die Flucht ergreifst – diese Art des Quiet Firings geht sogar mehr in Richtung Mobbing. 

Anzeichen für Quiet Firing
  • Bei Beförderungen und Gehaltserhöhungen wirst du immer übergangen und bekommst kein Feedback, warum das der Fall ist.
  • Wichtige Informationen, die du brauchst, um deinen Job gut zu machen, werden dir vorenthalten.
  • Du wirst bewusst aus Meetings ausgeschlossen.
  • Deine Aufgaben sind unattraktiv – Mitarbeitende auf deinem Level bekommen attraktivere Aufgaben und Projekte.
  • Du bekommst (beinahe) keine Verantwortung.
  • Ziele werden nicht an dich kommuniziert.
  • Der Kontakt wird durch Blicke oder abwertende Gesten verweigert.
  • Es gibt kein Lob und auch keine Gespräche mit Vorgesetzten.
  • Deine Leistungen werden nicht anerkannt und/oder du bekommst kein konstruktives Feedback.

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Überall wird gemobbt

 

Viele glauben, dass Mobbing spätestens nach der Schule kein Thema mehr ist. Fakt ist jedoch, dass Mobbing in fast allen Lebensbereichen auftaucht – und ja, auch Erwachsene mobben noch. Eine Studie vom Bündnis gegen Cybermobbing, bei der 4.000 Erwachsene im DACH-Raum befragt wurden, zeigt, dass rund 50 % aller Mobbingfälle am Arbeitsplatz auftreten.

 

Das hat drastische Folgen: Mitarbeitende, die von Mobbing betroffen sind, haben eine 40 % höhere Kündigungsbereitschaft und weisen fast doppelt so viele Krankheitstage auf als nicht Betroffene. Diese Ausfälle kosten der deutschen Wirtschaft fast acht Milliarden Euro.

 

Von Mobbing betroffen sind meist Unternehmen mit einem konkurrenzorientierten Arbeitsumfeld und starren Hierarchien. An der Hälfte der Mobbingfälle am Arbeitsplatz sind Vorgesetzte direkt involviert. Zahlen belegen, dass es sich beim Quiet Firing also nicht nur um einen Trend handelt. Doch was kannst du tun, wenn du selbst davon betroffen bist? 

 

Tipps bei Quiet Firing und Mobbing

 

1. Handle schnell

Warte nicht ab, bis es wirklich schlimm genug” ist, sondern handle schnell. Das Problem erledigt sich nicht einfach von selbst. Den Teufelskreis zu durchbrechen, wenn Strukturen bereits festgefahren sind, ist ziemlich herausfordernd.

 

2. Führe ein Mobbing-Tagebuch

Halte Mobbing-Situationen, egal ob klein oder groß, in einem Tagebuch fest – am besten mit Angabe von Zeit, Ort und den beteiligten Personen. Das hilft dir nicht nur beim Verarbeiten und Reflektieren der Ereignisse, sondern kann unter Umständen auch später bei einem gerichtlichen Verfahren verwendet werden.

 

3. Schalte Dritte ein

Gerade wenn Mobbing von Vorgesetzten ausgeht, ist ein direktes Gespräch oft schwierig. Wende dich an unbeteiligte Kolleg*innen oder die HR-Abteilung, um gezielt nach Unterstützung zu fragen. Du kannst auch konkrete Wünsche formulieren z.B. dass die HR-Abteilung ein Gespräch mit deiner Führungskraft abhält oder Kolleg*innen in bestimmten Situationen für dich einstehen.

 

4. Such das direkte Gespräch

Gerade am Anfang kann ein direktes, offenes Gespräch Wirkung erzielen. „In diesem Gespräch kannst du das Mobbingtagebuch präsentieren und die eigene Sichtweise in Ich-Botschaften wiedergeben”, empfiehlt Psychologin Judith Klenter und fährt fort: „du kannst auch verbündete Kolleg*innen bitten, in diesem Gespräch etwas zu sagen.”

 

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Wie OpenUp dich bei Quiet Firing unterstützen kann

 

Mobbing am Arbeitsplatz ist eine große mentale Herausforderung. Du fragst dich vielleicht, ob es an dir selbst liegt oder ob du anders hättest handeln können? Ein Gespräch mit Psycholog*innen kann dir dabei helfen, den eigenen Selbstwert wieder zu stärken und die richtigen Tools zu finden, um damit umzugehen. 

 

Psychologin Judith Klenter rät: „Erinnere dich daran, dass Mobbing immer etwas über die Person aussagt, die mobbt – nie über die Person, die gemobbt wird.”

 

Stärke dein Selbstwertgefühl

 

Wenn du eine schlechte Erfahrung wie diese gemacht hast, ist es wichtig, sie auch beim Namen zu nennen und nicht schön zu reden. „Gib dir selbst Zeit und habe Mitgefühl mit dir selbst”, sagt Klenter. „Wenn du an dir selbst zweifelst, kannst du deinen Freundeskreis, deine Familie und deine*n Partner*in fragen, was dich liebenswert macht. Sollte dein Selbstwert ernsthaft beschädigt sein, dann schau dich am besten nach anderen Stellen um.”

 

Auch konkrete Übungen können helfen, das eigene Selbstwertgefühl wiederherzustellen. „Denke an deine Errungenschaften zurück und schreibe mindestens eine auf”, rät Klenter, „stell dir dabei die Frage, was du dazu beigetragen hast und was das über dich aussagt.” Eine praktische Übung wie diese hilft dir dabei, deine negativen Gedanken über dich selbst zu widerlegen.

 

Es gibt aber auch andere präventive Methoden, die dich mental stärken. Mindfulness hilft dir dabei, im Hier & Jetzt anzukommen, Stress abzubauen und deine Resilienz zu stärken. Willst du lieber mit anderen sprechen, denen es ähnlich geht? In Gruppeneinheiten kannst du mit anderen Betroffenen über deine Herausforderungen sprechen und so den richtigen Support erhalten.