Doch laut der Harvard Business Review hat sich dieses angepasste Verhalten nicht nachhaltig auf die Art und Weise, wie Arbeitgeber*innen mit berufstätigen Eltern umgehen, ausgewirkt. Dabei ist der Bedarf durchaus da. Der Psychologe Jan Helder erklärt, mit welchen Herausforderungen berufstätige Eltern konfrontiert werden und wie man sie als Führungskraft am besten dabei unterstützen kann.
Die Herausforderungen berufstätiger Eltern
Der erste Schritt bei der Unterstützung von Eltern am Arbeitsplatz besteht darin, zu verstehen, mit welchen Herausforderungen sie sich auseinandersetzen müssen. Und da gibt es nur einen Weg: Indem man sie fragt!
„In unseren Beratungsgesprächen reden wir oft mit berufstätigen Eltern über ihre häusliche und berufliche Situation und die Herausforderungen, denen sie in ihrem Alltag begegnen“, erzählt Jan. „Die folgenden vier Themen werden besonders häufig angesprochen.“
1. Work-Life-Balance (oder besser gesagt: Ungleichgewicht)
Das ständige Hin und Her zwischen privaten und beruflichen Verpflichtungen verlangt viel von arbeitstätigen Eltern. Die Stundenpläne der Kinder richten sich nicht immer nach den Arbeitszeiten (und andersherum). Und ein erkältetes Kind nimmt natürlich absolut keine Rücksicht auf Arbeitsstunden und Abgabefristen.
Das bedeutet demnach, dass berufstätige Eltern oft weniger flexibel sind als Arbeitnehmer*innen ohne Kinder. Eine zusätzliche Schicht, ein dringlicher Auftrag zwischendurch oder eine knappe Abgabefrist sind da auch etwas schwieriger zu bewältigen, denn Überstunden sind für junge Eltern weniger selbstverständlich.
2. Stereotypisierung, Verurteilung und Schuldgefühle
Berufstätige Eltern werden oft mit Stereotypen und Vorurteilen konfrontiert. Egal, welche Entscheidungen sie treffen, es gibt immer irgendwen, der sie kritisiert.
Wenn man sich dafür entscheidet, im Job nicht zurückzutreten, und weiterhin viel Zeit und Aufmerksamkeit in seine Karriere zu investieren, verbringt man nicht genug Zeit mit seinem Nachwuchs.
Und wenn man nur noch Teilzeit arbeitet, um sich mehr Zeit für die Kinder zu nehmen, leistet man keinen ausreichenden Beitrag zur Gesellschaft, ist man nicht ehrgeizig genug oder fördert man sogar die Ungleichheit der Geschlechter.
Diese Vorurteile geben vor allem berufstätige Mütter auch über sich selbst ab. Sie haben oft mit Schuldgefühlen gegenüber ihren Kindern zu kämpfen, wenn sie viel arbeiten. Väter leiden im Allgemeinen weniger darunter.
3. Übermüdung
Berufstätig zu sein, ist anstrengend. Berufstätig zu sein und gleichzeitig Kinder großzuziehen, ist noch viel anstrengender.
Gerade in den ersten Monaten oder Jahren haben viele Eltern mit schlaflosen Nächten zu kämpfen, doch selbst wenn die Kinder dann einen festen Schlafrhythmus haben, erfordert die Führung des Haushalts und die allgemeine Erziehung einiges an Energie.
Wenn man viel zu erledigen hat, kommen Ruhe, Entspannung und Zeit für sich selbst häufig als erstes zu kurz. Das bedeutet, dass berufstätige Eltern leichter an einem Burnout erkranken können.
4. Wachstumsmöglichkeiten
Die Aussicht auf einen Karrieresprung kann mit zunehmendem Alter an Attraktivität verlieren. Schließlich hängt ein solcher Übergang oft mit Veränderungen, neuen Aufgaben, Lernen und Anpassungen an eine neue Situation zusammen. Das erfordert Zeit, Aufmerksamkeit und Energie, was für berufstätige Eltern mitunter zu anstrengend sein kann. Ganz egal, wie ehrgeizig man ist.
Das Gleiche gilt aber auch umgekehrt. Arbeitgeber*innen gehen oft davon aus, dass man als junge Mutter (oder auch als junger Vater) nicht die Zeit und den nötigen Fokus hat, um ein größeres Projekt oder eine neue Führungsrolle zu übernehmen. Man ist ja schließlich mit seiner Familie beschäftigt. Dadurch verringern sich dann auch die Chancen auf eine Beförderung, obwohl man sich diese vielleicht doch sehr gewünscht hätte.