Psychologische Sicherheit als Führungskraft kultivieren

14 Mar ‘24
6 min
Arbeitsleistung
Judith Knuvers
Überprüft von Psycholog*in Kim Schlüter
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In der heutigen Arbeitswelt steht das Konzept der psychologischen Sicherheit im Mittelpunkt und hat branchenübergreifend zu bedeutenden Diskussionen geführt. Psychologische Sicherheit ist entscheidend, um die Arbeitsleistung zu verbessern, die Arbeitszufriedenheit zu steigern und das mentale Wohlbefinden deines Teams zu fördern. Was genau bedeutet psychologische Sicherheit? Wie können wir erkennen, ob sie am Arbeitsplatz vorhanden ist (oder nicht)? 
In diesem Artikel erklären wir

was psychologische Sicherheit ist, warum sie wichtig ist und was du als Führungskraft tun kannst, um ein psychologisch sicheres Arbeitsumfeld zu schaffen.

Was ist psychologische Sicherheit?

 

1999 prägte die Harvard-Professorin Amy Edmondson den Begriff „psychologische Sicherheit“. Edmondson beschrieb psychologische Sicherheit als „das Bewusstsein, dass es sicher ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen“ – mit anderen Worten, dass es geschätzt wird, wenn man Ideen, Fragen, Bedenken oder Fehler äußert.

 

Psychologische Sicherheit steht umgekehrt auch für die Abwesenheit von zwischenmenschlichen Ängsten: Mitarbeitende haben das Gefühl, sich frei äußern zu können, ohne Angst haben zu müssen, dafür verurteilt zu werden.

 

Im Wesentlichen geht es bei der Schaffung psychologischer Sicherheit darum, ein Arbeitsumfeld zu kreieren, in dem jede*r das Gefühl hat, authentisch sein zu können. Aber warum ist das so wichtig?

 

 

Die Wichtigkeit von psychologischer Sicherheit am Arbeitsplatz

 

Ein psychologisch sicheres Arbeitsumfeld ist nicht nur ein “Nice-to-have”, sondern eine wichtige Grundlage für die Mitarbeiter*innen und das Unternehmen als Ganzes. Wenn sich die Mitarbeiter*innen anerkannt und wertgeschätzt fühlen, führt das zu höherer Leistung, größerer Arbeitszufriedenheit und Freude an der Arbeit sowie zu einem besseren mentalen Wohlbefinden.

 

Dass psychologische Sicherheit auch für das Unternehmen wichtig ist, zeigt das Beispiel Google. Eine Studie von Google über das Geheimnis erfolgreicher Arbeitsgruppen, dass psychologische Sicherheit eine wichtige Rolle für diesen Erfolg spielt: In den erfolgreichsten Arbeitsgruppen hört man einander zu, die Gruppenmitglieder haben das Gefühl, ihre Meinung frei äußern zu können und alle kommen gleichermaßen zu Wort. Dies alles sind Zeichen für psychologische Sicherheit.

 

Das Schaffen eines sicheren Arbeitsumfeldes kann auch dazu beitragen, Mitarbeiter*innen zu binden. Wenn sich Angestellte am Arbeitsplatz nicht sicher fühlen, führt dies zu mehr Stress und einer höheren Wahrscheinlichkeit, dass sie ein Burnout entwickeln. Außerdem ist es wahrscheinlicher, dass die Mitarbeitenden das Unternehmen verlassen.

 

Willst du mehr über Mitarbeiterbindung erfahren? Lies Retention Management 2023: So kannst du Mitarbeitende binden

 

 

Die Vorteile psychologischer Sicherheit

 

  • Geringere Fehlzeiten aufgrund von Stress und Burnout
  • Verbessertes mentales Wohlbefinden
  • Hohe Leistung und Produktivität
  • Innovation
  • Engagement
  • Zufriedenheit und Freude bei der Arbeit
  • Mitarbeiterbindung

 

Das Schaffen eines psychologisch sicheren Arbeitsumfeldes ist von entscheidender Bedeutung für die Arbeitsleistung, die berufliche Zufriedenheit und das mentale Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Aber woher weiß man, ob im eigenen Unternehmen psychologische Sicherheit oder Unsicherheit herrscht?

 

 

Wie erkennt man psychologische (Un-)Sicherheit?

 

Der wichtigste erste Schritt zur Schaffung von psychologischer Sicherheit besteht darin, zu wissen, wie psychologische (Un-)Sicherheit aussieht. Bei psychologischer Sicherheit geht es um die subtilen zwischenmenschlichen Interaktionen, so Joriene Beks – Expertin und Trainerin auf dem Gebiet der psychologischen Sicherheit – in einem Podcast-Interview. Haben die Mitarbeitenden das Gefühl, gesehen und gehört zu werden? In diesem Punkt spielt man als Führungskraft eine wichtige Rolle.

 

Eine psychologisch unsichere Arbeitskultur zeichnet sich dadurch aus, dass die Mitarbeitenden nicht das Gefühl haben, dass sie:

  • Ideen, Fragen und Bedenken äußern können
  • Kritik üben / Feedback geben können
  • Risiken eingehen können
  • sie selbst sein können

 

Wenn Mitarbeitende sich nicht eingebunden fühlen oder das Gefühl haben, keinen wertvollen Beitrag zu leisten, können dies auch Anzeichen dafür sein, dass psychologische Unsicherheit herrscht.

 

Insbesondere, wenn sich viel verändert oder wenn es einem Unternehmen weniger gut geht, ist die Wahrscheinlichkeit für psychologische Unsicherheit größer. Führungskräfte und Vorgesetzte versuchen in solchen Zeiten oft, die Arbeit in den Griff zu bekommen, erzeugen dabei aber – bewusst oder unbewusst – ein Umfeld, in dem wenig Vertrauen herrscht. Das merken wir beispielsweise auch jetzt, da mehr Menschen in hybriden Arbeitsmodellen oder von zu Hause arbeiten.

 

Mangelndes Vertrauen ist ein wichtiges Anzeichen dafür, dass psychologische Unsicherheit vorliegt bzw. vorliegen könnte. Dasselbe gilt für mangelnde Diskretion, wenn beispielsweise persönliche Dinge aus Gesprächen an Dritte weitergegeben werden. Dabei geht es nicht nur um vertrauliche Gespräche, sondern auch um Dinge, die Mitarbeitende mit dir als Führungskraft teilen.

 

Hast du nach dem Lesen dieser Anzeichen das Gefühl, dass innerhalb deines Unternehmens möglicherweise psychologische Unsicherheit herrscht? Kein Grund zur Sorge. Das Wichtigste ist, dass du dir dessen bewusst bist. Nachfolgend geben wir einige Tipps, die dir dabei helfen, psychologische Sicherheit zu schaffen.

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So schaffst du ein psychologisch sicheres Arbeitsumfeld

 

1. Übernimm Verantwortung

 

Als Führungskraft spielst du eine wichtige Rolle bei der Schaffung von psychologischer Sicherheit am Arbeitsplatz. Es ist daher wichtig, dass du dir deines Anteils an der Schaffung von psychologischer Sicherheit bewusst bist und Verantwortung dafür übernimmst, wie du auftrittst und wie du mit anderen kommunizierst.

 

Verantwortung übernehmen erfordert Mut, da man sich kritisch mit sich selbst auseinandersetzen muss. Ein Tipp, der dir dabei helfen kann: Nimm dir Zeit für Selbstreflexion. Schreibe am Ende des Tages in ein Tagebuch oder arbeite zum Beispiel mit einem Coach zusammen, der dich auf blinde Flecken hinweisen kann.

 

„Es ist Aufgabe der Führungskräfte eines Unternehmens, eine sichere Kultur zu schaffen“, sagt Psychologe Paul Hessels.

 

 

2. Trau dich, dich selbst kritisch zu betrachten

 

Vielleicht denkst du als Führungskraft, dass deine Mitarbeitenden sich jederzeit an dich wenden können. Aber fühlen sich die Mitarbeitenden auch so sicher, um dies tatsächlich zu tun? Wissen sie, dass sie dir gegenüber ihre Fragen, Ideen und Bedenken äußern können, ohne Angst vor den Folgen für ihre Karriere oder ihr Selbstwertgefühl haben zu müssen? Kann ein*e Mitarbeiter*in, der*die beispielsweise Zweifel in Bezug auf seine Rolle hat, dies offen mit dir besprechen, ohne befürchten zu müssen, dass sein Vertrag nicht verlängert wird?

 

Ganz wichtig dabei ist, dass du deine eigene Wahrnehmung für einen Moment zur Seite schiebst. Denn du kannst zwar der Meinung sein, dass deine Mitarbeitenden das Gefühl haben, dass sie sich an dich wenden können, aber ob das wirklich der Fall ist, wirst du erst herausfinden, wenn du mit deinen Mitarbeitenden ins Gespräch kommst. Hessels erklärt: „Sicherheit ist eine subjektive Erfahrung. Du kannst etwas als sicher empfinden, aber jemand anderes hat vielleicht eine ganz andere Erfahrung.“

 

 

3. Komme mit deinen Mitarbeitenden ins Gespräch

 

Wie nehmen die Mitarbeitenden die Arbeitskultur wahr? Unterhalte dich mit ihnen, finde heraus, was sich ihrer Meinung nach ändern muss, und besprich, wie man es anders machen könnte.

 

Sei offen für das, was sie zu sagen haben. Die Mitarbeitenden wissen oft, was schief läuft und warum, und haben oft Ideen, wie man es anders machen könnte.

 

Beachte jedoch, dass sie sich vielleicht nicht immer trauen, ihre Meinung zu äußern, wenn eine psychologisch unsichere Arbeitskultur herrscht. In diesem Fall kann eine anonyme Umfrage eine sichere Alternative sein.

 

 

4. Hör dir die Perspektive der anderen Person an

 

Achte beim Gespräch mit deinen Mitarbeitenden darauf, deinem Gegenüber auch wirklich zuzuhören. Oft hören wir vor allem zu, um zu antworten, aber dadurch hören wir weniger aktiv zu (weil unsere Gedanken bereits mit unserer Antwort beschäftigt sind). Dies kann zu Missverständnissen führen, weil wir die andere Person nicht gut verstehen. Indem du aktiv zuhörst und Fragen stellst, kannst du die andere Person besser verstehen und gibst deinen Mitarbeitenden das Gefühl, gesehen und gehört zu werden.

 

 

5. Sei offen und gleichzeitig klar in Bezug auf deine Grenzen

 

Wenn du psychologische Sicherheit schaffen möchtest, ist es wichtig, dass du offen bist und dich traust, deine Verletzlichkeit zu zeigen. Gleichzeitig musst du dabei auch deine Grenzen wahren. Wenn du als Führungskraft zu viel preisgibst, kann dies zu Unbehagen und Unsicherheit führen. Eine wichtige Frage, die du dir stellen kannst, ist laut Dr Brené Brown, warum du etwas preisgibst. Sprichst du darüber, um Vertrauen und Verbundenheit zu schaffen und die Beziehung voranzubringen, oder willst du deine Sorgen bei anderen abladen oder deinen Frust an anderen auslassen? Letzteres ist natürlich nicht hilfreich.

 

 

6. Schaffe Bewusstsein

 

Wie du siehst, gibt es viele Schritte, die du als Führungskraft selbst unternehmen kannst, um psychologische Sicherheit zu schaffen. Aber einen Kulturwandel erzielt man letztendlich gemeinsam. Daher ist es wichtig, auch in der Belegschaft ein Bewusstsein dafür zu schaffen, damit die Mitarbeitenden wissen, wie psychologische Sicherheit aussieht. (Du kannst zum Beispiel diesen Artikel mit ihnen teilen).

 

Indem du Bewusstsein innerhalb des Unternehmens schaffst und offen darüber sprichst, fällt es den Mitarbeitenden auch leichter zu sagen, wenn etwas nicht in Ordnung ist.

 

Sorge außerdem dafür, dass die Mitarbeitenden wissen, an wen sie sich wenden können. Gibt es beispielsweise eine Vertrauensperson oder jemanden, mit dem sie sprechen können?

 

 

7. Ermutige die Mitarbeitenden

 

Neben dem Schaffen von Bewusstsein rund um das Thema psychologische Sicherheit, kannst du die Mitarbeitenden auch aktiv zu einer offenen Kommunikation ermutigen. Frage sie zum Beispiel, wie sie am liebsten arbeiten und kommunizieren, und ermutige sie, ganz offen darüber zu sprechen.

 

Stelle außerdem sicher, dass jeder ausreichend Raum erhält, sich mitzuteilen, und ermutige deine Mitarbeitenden dazu, sowohl zu reden als auch zuzuhören. (Das kann zum Beispiel auch bedeuten, dass du jemanden, der eher zuhört, zum Reden animieren musst, während du andere, die eher reden, zum Zuhören anregen musst. Das Wichtigste ist, dass sich jeder gesehen und gehört fühlt.

 

 

8. Sei ein Vorbild für andere

 

Als Führungskraft hast du eine Vorbildfunktion und kannst andere dazu inspirieren, notwendige Veränderungen vorzunehmen. Unterschätze nicht den Einfluss, den du haben kannst.

 

Du hast es vielleicht schon gemerkt: Psychologische Sicherheit zu schaffen, ist nicht einfach und erfordert deinen Einsatz. Der Grund dafür ist simpel, so Amy Edmondson. Es ist ganz normal, dass Menschen ihre Ideen für sich behalten, dass sie zögern, Fragen zu stellen, und dass sie es lieber nicht sagen, wenn sie nicht derselben Meinung sind wie ihr Vorgesetzter. Und gerade deshalb ist es so wichtig, dass du als Führungskraft bewusst ein Umfeld schaffst, in dem dies ausdrücklich erwünscht ist.

 

Willst du mehr über die Schaffung einer sicheren, gesunden Arbeitskultur erfahren? 👉 Folge auch unserem Kurs speziell für Führungskräfte: “Mentales Wohlbefinden: Mindful Leadership“.

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Arbeitsleistung
Konflikte am Arbeitsplatz lösen
Di 23 Apr 10:00 - 11:00 Europe/Amsterdam
Plätze frei - Gruppeneinheit

Hast du Kolleg*innen, die dich regelmäßig auf die Palme bringen? Oder gibt es an deinem Arbeitsplatz vielleicht ungelöste Konflikte, die Probleme verursachen?

Lerne in unserer interaktiven Gruppeneinheit, welche Faktoren Konflikte maßgeblich steuern, warum du auf manche Menschen einfach „allergisch” reagierst und wie du Konflikte anhand einer praktischen Methode lösen kannst.

Bringe gerne ein persönliches Beispiel mit, vom Konflikt mit der Führungskraft, mit Kund*innen oder Kolleg*innen, um die Erkenntnisse direkt anzuwenden.

Was du erwarten kannst:

  • – Unterschiedliche Konfliktebenen kennenlernen
  • – Reflexion auf eigene Trigger
  • – 4-Schritte-Ansatz zur Konfliktlösung

 

Wir bitten dich, deine Kamera und dein Mikrofon einzuschalten, da die Sitzung interaktiv ist und von aktiver Teilnahme lebt.

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