Pflege von Angehörigen und das mentale Wohlbefinden aller Beteiligten

27 Sep ‘23
4 min
Beziehungen
Annemarie Andre
Überprüft von Psycholog*in Judith Klenter
A person taking care of another person by bringing them a cup of tea.

Ob es sich nun um die Pflege von Familienmitgliedern handelt, die im hohen Alter einen Pflegebedarf haben, oder ob die Pflege nach einem Unfall eintritt: Die sich plötzlich verändernde Situation und die Pflege an sich ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Doch damit bist du nicht allein. In Deutschland wurden laut dem Statistischen Bundesamt im Jahr 2021 rund 4,2 Millionen Menschen zu Hause gepflegt. Mehr als die Hälfte von ihnen wurde von Angehörigen versorgt.

 

In diesem Artikel geht es darum, wie du neben der herausfordernden Situation der Pflege auf dein eigenes mentales Wohlbefinden und das der zu pflegenden Person achten kannst.

Pflege und der Einfluss auf Beziehungen

 

Die Pflege von Angehörigen bringt mentale Herausforderungen mit sich, wie z.B. neue Beziehungsdynamiken. Es kann zu Veränderungen in den Rollen kommen, die wir in der Familie kennen, z.B kann die kleine zur großen Schwester werden, wenn der ältere Bruder erkrankt”, sagt Psychologin Judith Klenter. Auch für Eltern, die Pflege benötigen, sei die Veränderung anfangs schwierig. 

 

Sie fügt hinzu: Das kann zu Schuldgefühlen, Scham und Wut darüber führen, dass nun Entscheidungen für sie getroffen und sie bevormundet werden.” Auch Trauer spiele in der Pflege eine Rolle, gerade wenn eine Person an Demenz oder Alzheimer erkrankt. „In der Psychologie spricht man von ‘ambiguous loss’, also der Trauer um den Verlust einer Person, die noch lebt, aber nicht mehr so da ist, wie wir sie kennen.” 

 

Denke daran: Die veränderte Beziehungsdynamik kann für beide Seiten herausfordernd sein. Aber du kannst einiges tun, um deine Beziehung zu pflegen und das Wohlbefinden aller Beteiligten zu fördern:

  • Spreche nicht über, sondern mit der Person.
  • Erkenne, soweit möglich, die Person als mündige und eigene Person an und berücksichtige ihr Recht auf eine eigene Meinung und Privatsphäre.
  • Gib der zu pflegenden Person so viel Entscheidungsraum wie möglich und respektiere ihre Entscheidungen.
  • Erkenne die alte Rolle der Person an und plane weiterhin Aktivitäten (z.B. Datenights oder romantische Gesten als Paar)

 

Mentale Herausforderungen & Lösungen

 

Die Pflege von Angehörigen wirkt sich nicht nur auf die Beziehungen in deinem Leben aus, sondern hat natürlich direkte Auswirkungen auf dein (mentales) Wohlbefinden.

 

Bevor wir auf die potentiellen Lösungen eingehen, wollen wir uns erst auf die Herausforderungen konzentrieren, damit du weißt, auf welche Symptome der Überlastung du bei dir achten kannst:

 

  • Gefühl der Überforderung und Aussichtslosigkeit
  • Gereiztheit
  • Gefühl der Erschöpfung durch ständiges „Funktionieren-Müssen”
  • Rücken- sowie Nacken- und Gelenksschmerzen
  • Kopf- und Gliederschmerzen
  • Magenverstimmungen
  • Schwindel
  • Schlafprobleme

 

Allerdings wollen wir die positiven Gefühle nicht außer Acht lassen. Viele pflegende Angehörige verspüren das Gefühl des Gebrauchtwerdens und haben das Gefühl, dass sie dem geliebten Menschen auf diese Weise etwas zurückgeben können. 

 

Die Mehrfachbelastung sollte aber trotzdem nicht vergessen werden. Sorge als pflegende*r Angehörige*r für Momente der Entlastung, denke darüber nach, wie du dir Unterstützung aus der Familie oder von sozialen Diensten holen kannst und nimm dir jeden Tag etwas Zeit für dich selbst (auch wenn es nicht viel ist).

 

Stelle dir dabei folgende Fragen: 

  • Welche Angebote gibt es, die ich noch nicht in Anspruch genommen habe und die mich entlasten könnten? (z.B. Essen auf Rädern, Pflegekarenz, Pflegeteilzeit, mobile Heimhilfe, Reinigungsdienste, etc.) 
  • Welche Rituale, die mir immer gut getan haben, habe ich vernachlässigt und wie kann ich sie wieder in mein Leben integrieren?
  • Spreche ich regelmäßig über meine eigene Situation und mit wem?
  • Kann ich mit meinen Vorgesetzten offen darüber sprechen und eventuell mehr zeitliche Flexibilität einfordern?

 

Denk daran: Es ist in Ordnung, sich Unterstützung zu holen und Hilfe anzunehmen. Du musst nicht alles alleine managen. Um für andere da zu sein, musst du dich zuerst gut um dich selbst kümmern.

Online-Ratgeber Pflege

Du hast Fragen zur Organisation der Pflege, Feststellung der Pflegestufe, Pflegeleistungen und noch mehr? Das Bundesministerium für Gesundheit hat einen praktischen Online-Ratgeber erstellt, in dem du alle Infos findest, die du wissen musst, sollte ein Pflegebedarf eintreten: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/pflege/online-ratgeber-pflege.html

 

Falls du in Österreich oder der Schweiz beheimatet bist, findest du auf den Seiten der entsprechenden Gesundheitsministerien die passenden Informationen.

Tipps, um Selbstfürsorge in den Alltag zu integrieren

 

1. Schaffe dir Freiräume und kurze Momente nur für dich

 

Gerade in der Pflege kann es schwierig sein, dir Zeit für dich selbst freizuschaufeln. Versuche aber bewusst, diese Momente zu finden, selbst wenn es nur wenige Minuten sind. Mach in dieser Zeit etwas, das dir gut tut und dich entspannt, wie z.B. ein paar Seiten in deinem Buch lesen oder dein Lieblingslied anhören.

 

2. Plane regelmäßige Check-in Momente mit dir selbst

 

Nimm dir mehrmals am Tag bewusst Zeit, dich in deinen Körper einzufühlen und dir bewusst darüber zu werden, wie es dir gerade geht und was du benötigst. Wenn du merkst, dass du sehr gestresst bist, kannst du diese Momente auch nutzen, um eine kurze Atemübung oder geführte Meditation zu machen. 

 

3. Halte an wohltuenden Ritualen fest


Ob es nun der Spaziergang in der Früh ist, der morgendliche Kaffee oder das Telefonat mit einem*einer guten Freund*in: Versuche, an kleinen Wohlfühl-Ritualen festzuhalten, die dir Energie spenden.

 

4. Plane Pufferzeiten ein, um Stress zu vermeiden

 

Zeitmanagement ist in der Pflege das A und O. Aber keine Frage, gerade in Kombination mit einem Vollzeitjob ist das herausfordernd. Versuche deshalb, deinen Tag nicht zu voll zu planen und ein paar Zeiträume offen zu lassen. Gerade, wenn dir in der Pflege etwas dazwischen kommt, schenken dir diese Pufferzeiten mehr Flexibilität und du kannst unnötigen Stress vermeiden.

 

5. Rede darüber und tausche dich mit Gleichgesinnten aus

 

Friss deine Gefühle nicht in dich hinein, denn das führt nur dazu, dass du leichter reizbar bist und dein mentales Wohlbefinden darunter leidet. Lass deine Freund*innen und Familienangehörige – auch die zu pflegende Person – wissen, wie es dir gerade geht und wie du dich fühlst. Vielleicht gibt es in deiner Umgebung auch Selbsthilfe-Gruppen, denen du dich anschließen kannst, um dich mit anderen auszutauschen.

 

Wie OpenUp dich unterstützen kann

 

Die Pflege von Angehörigen kann herausfordernd sein. Denke daran, dass die Psycholog*innen von OpenUp immer für dich da sind, wenn du Unterstützung brauchst oder einfach jemanden zum Reden suchst. Buche hier ein kostenloses Gespräch.

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