Die Vorstellung, dass Arbeitnehmer*innen ihre privaten Probleme zu Hause lassen sollten, hat sich in den letzten Jahren verflüchtigt. Sie ist der Überzeugung gewichen, dass es unmöglich und nicht wünschenswert ist, Arbeit und Privatleben vollständig zu trennen. So ergibt sich am Arbeitsplatz immer mehr Raum für Trauer. Für Personalverantwortliche bringt dies zusätzliche Herausforderungen mit sich. Denn Kolleg*innen beim Umzug unterstützen? Ja, das klappt schon. Aber Kolleg*innen im Trauerprozess zu unterstützen, ist viel komplexer. Was kannst du als Personalverantwortlicher tun, um trauernden Mitarbeitenden zu helfen?
Wie funktioniert Trauer?
Trauer ist die Verarbeitung eines großen Verlustes. Es ist der Prozess, durch den wir unser Leben – einschließlich unserer Hoffnungen, Träume und Pläne – an die neue Situation anpassen. Bei Trauer denken wir in der Regel an einen Verlust durch den Tod. Aber wir trauern auch nach anderen großen Verlusten. Beispielsweise nach einer Scheidung oder wenn uns die Hoffnung, ein Kind zu bekommen, genommen wird.
Nach der weitverbreiteten Theorie der britischen Psychiater Bowlby und Parkes erfolgt Trauer in vier Phasen:
- Schock und Gefühlslosigkeit. Das ist die Phase, die unmittelbar nach einem Verlust eintritt. Die Situation wird als unwirklich empfunden.
- Sehnsucht und Suche. Der Trauernde sehnt sich die Person zurück, die sie verlassen hat. Diese Phase wird oft von Tränen, Wut, Angst, Sorgen, Konzentrationsproblemen und Verwirrung begleitet. Manche Menschen empfinden auch Reue.
- Unruhe und Verzweiflung. Der Trauernde erkennt den Verlust an: Die Person wird nicht zurückkehren. Gefühle der Apathie, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Niedergeschlagenheit machen sich breit. Viele Menschen ziehen sich zurück und haben wenig Interesse an den Dingen, die ihnen früher Spaß gemacht haben.
- Neuordnung und Genesung. In der vierten Phase gewinnen Trauernde ihre Lebensfreude zurück. Sie fangen wieder an, Freude zu empfinden, und investieren wieder in die Zukunft. In dieser Phase finden sie zu einer neuen ‘Normalität’ zurück.
Trauer ist ein sehr persönlicher und individueller Prozess. Jeder erlebt ihn anders. Daher laufen die oben genannten Phasen bei jedem Menschen anders ab. Nichtlinear, rückwärts, von Phase zwei zu Phase vier und Monate später wieder zurück zu Phase zwei. Auch die Intensität der Trauer ist bei jedem Menschen anders. Während beispielsweise der Verlust eines älteren Elternteils für manche leichter zu akzeptieren ist, kann er sich für andere wie das Ende der Welt anfühlen.
Mitarbeitende in ihrem Trauerprozess unterstützen: Der praktische Aspekt
Wenn ein*e Mitarbeiter*in einen Verlust erleidet – egal ob es sich um einen Todesfall, eine Scheidung, einen unerfüllbaren Kinderwunsch oder eine andere Art von Verlust handelt – wirst du einige praktische Dinge regeln wollen: Urlaub, das Informieren der Kolleg*innen und Geschäftspartner*innen und natürlich einen Anruf, eine Karte oder einen Blumenstrauß. Diese können in einem Trauerprotokoll festgehalten werden, das als Gedächtnisstütze für die Personalabteilung dienen kann. Für die nachfolgenden Punkte gilt: Wende dich immer an dessen Arbeitsgruppenleiter*in oder Vorgesetzten des*r betreffenden Kollegen*in und besprich wer für welche Maßnahmen verantwortlich ist.
1. Urlaub
Bei Verlust eines Familienangehörigen ersten Grades erhält ein*e Arbeitnehmer*in nach den offiziellen Regeln vier Tage Urlaub. Bei Scheidung oder anderen Arten von Verlusten: Keinen einzigen Tag? Aber wie bereits gesagt, jeder trauert anders. Der oder die eine möchte so schnell wie möglich wieder arbeiten – weil es als Ablenkung dient oder weil die Routine dabei hilft, die Situation zu verarbeiten – der oder die andere braucht mehr Zeit und Freiraum.
Zu verlangen, dass ein*e Mitarbeiter*in bereits nach vier Tagen zurückkehrt, kann kontraproduktiv sein. Colette, die in einer großen Anwaltskanzlei in Zuidas arbeitet, erzählt: “Ein paar Tage nach dem Tod meines Vaters rief mich mein Vorgesetzter an. Er sagte, dass eigentlich geplant sei, dass ich wieder arbeiten komme. Ich war überhaupt noch nicht bereit dafür. Ich konnte mich bei der Arbeit nicht konzentrieren. Und mein Arbeitgeber verlor, gelinde gesagt, meinen Respekt. Dies hat sicherlich eine Rolle gespielt bei meiner Entscheidung, zu kündigen.”
Nach Angaben von Trauerexperten benötigen die meisten Menschen nach dem Tod eines nahestehenden Familienmitglieds mindestens 20 freie Tage.
Gesetzliche Urlaubsregelungen bei Todesfall
Wenn ein unmittelbarer Familienangehöriger stirbt, haben Arbeitnehmer*innen Anspruch auf Noturlaub im Todesfall. Dieser ist gesetzlich vorgeschrieben. Der Urlaub ist dazu gedacht, um direkt praktische Angelegenheiten zu erledigen. Er gilt, wenn der Familienangehörige ein Elternteil oder Kind ist, ein Bruder oder eine Schwester, ein Ehepartner oder eingetragener Lebenspartner. Die Person muss angeben, wie lange der Urlaub dauern wird. Die Führungskraft darf einen angemessenen Antrag nicht ablehnen. Dieser Urlaub dauert in der Regel zwischen ein paar Stunden und einigen Tagen.
Darüber hinaus gibt es noch den ‘Sonderurlaub’. Sonderurlaub wird im Tarifvertrag oder, wenn es keinen (obligatorischen) Tarifvertrag gibt, in der Betriebsordnung geregelt.
Kurz nach dem Verlust befinden sich die meisten Menschen in der 1. Phase: Schock, Taubheit und Verleugnung. Bei einem Todesfall dauert diese oft mindestens bis zum Zeitpunkt der Beerdigung an. Mit dem Noturlaub im Todesfall kann diese Zeit überbrückt werden, aber er reicht oft nicht aus, um den Verlust vollständig zu verarbeiten.
2. Kolleg*innen und Geschäftspartner*innen informieren
Das Gleiche gilt, wenn du Kolleg*innen und Geschäftspartner*innen über den Verlust informieren, mit dem der/die Mitarbeitende zu kämpfen hat: Jeder Mensch erlebt Trauer anders. Frage deshalb die trauernde Person, was für sie angenehm ist. Das kannst du entweder selbst tun, du kannst aber auch der/die Arbeitsgruppenleiter*in oder eine*n Kolleg*in einbeziehen, der ein gutes Verhältnis zu dieser Person hat.
Um dem trauernden Mitarbeiter*innen Unterstützung zu bieten, kannst du konkrete Vorschläge machen, zum Beispiel eine E-Mail an die Arbeitsgruppe, an andere Kolleg*innen innerhalb des Unternehmens und an Dritte.
3. Lass von dir hören
Zeige dem/der Mitarbeitenden, dass du und deine Kolleg*innen für sie da sind. Schicke einen Blumenstrauß und eine Karte, die von allen unterschrieben ist. Bei einem Todesfall kannst du die trauernde Person auch fragen, ob sie es schön fände, wenn enge Kolleg*innen zur Beerdigung kommen würden.
Sei achtsam – besonders im ersten Jahr nach dem Todesfall. Schenke dem/der Mitarbeitenden an Tagen mit besonderen Ereignissen zusätzliche Aufmerksamkeit. Denke hierbei zum Beispiel an den Geburtstag der verstorbenen Person, Weihnachten, Mutter- oder Vatertag und den Todestag. Stehe dem/der Mitarbeitenden mit einer Karte oder einer Nachricht zur Seite oder schlage vor, gemeinsam eine Tasse Kaffee zu trinken.
4. Wende dich an die Arbeitsgruppenleitung oder Vorgesetzte
Abgesehen, dass es deine Aufgabe ist, die Arbeitnehmer*innen so gut wie möglich zu betreuen, ist dies auch die Aufgabe der Führungskräfte und Vorgesetzten. Stelle also sicher, dass du in Bezug auf den trauernden Angestellten mit ihnen in Kontakt bleibst.
Ermutige den Vorgesetzten dazu, von sich hören zu lassen, indem er die Person anruft oder – wenn es der Person recht ist – kurz vorbeikommt. Bitten Sie ihn auch, dem/ der Mitarbeitenden zu erzählen, dass deren Arbeit durch Kolleg*innen übernommen wurde. Und dass die Person ungeachtet dessen zurückkommen kann, wenn die Zeit reif ist. Und dass die Arbeitsgruppe sich freut, die Person wiederzusehen.
Der Vorgesetzte kann der trauernden Person auch einen konkreten Vorschlag zur Rückkehr an den Arbeitsplatz machen: “Wenn du bereit bist, wieder einzusteigen, ist es auch in Ordnung zunächst nur eine Stunde zu kommen und sich langsam zu steigern. Du kannst in den ersten Wochen auch in Teilzeit arbeiten, wenn du willst.”